Von wegen Schrott
Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft und kaufen ständig neue Dinge. Uwe Richter stellt sich gegen diesen Trend: In seinem Laden bereitet er alte Gegenstände auf und verkauft sie wieder.
Kronleuchter mit Kristallen, Pendelleuchten aus Glas und detailreiche Marionetten hängen im ganzen Raum. Die weiß gestrichene Decke scheint nur an wenigen Stellen durch. Ein paar Lampen sind eingeschaltet und tauchen den Raum in ein warmes, gelbliches Licht. Hinter einem Holztisch sitzt Uwe Richter, umzingelt von gestapelten Büchern und Kisten voller Ersatzteile. Er dreht die letzte Schraube in eine türkisfarbene Tischlampe aus Metall. Jetzt müsste sie wieder funktionieren. Seine Augen schweifen durch den Raum, auf der Suche nach einem freien Platz für sie.
Richter ist 73 Jahre alt, hat schneeweiße Haare bis zur Schulter und einen Schnäuzer. Eingestiegen in die Arbeitswelt ist er als Spediteur. Bei den Umzügen gab es immer Sachen, die übrig blieben. Er beschloss, diese zu sammeln. Aus diesem Hobby machte er irgendwann seinen Beruf. Vor 28 Jahren gründete er sein Geschäft „Weißer Kreis“ in der Bonner Altstadt, in dem er die aufbereiteten Gegenstände verkauft. „Weiß steht für die weißen Elektrogeräte und Kreis fürs ‚wieder einführen‘, also recyclen“, erklärt Richter den Namen seines Ladens. Früher hatte er hier vor allem Waschmaschinen, Herde und Kühlschränke im Angebot. Hunderte geschleppte Waschmaschinen und zig geputzte Herde später hatte er darauf aber keine Lust mehr. Vor 15 Jahren spezialisierte er sich auf Lampen.
Ein Mann tritt über die Türschwelle. Es bimmelt. Der kurze, kalte Luftschwall beim Eintreten wirbelt den Staub im Laden auf. Der Kunde schlendert ein wenig herum und bleibt dann vor einer bunt bekleideten Buddha-Statue aus dunklem Holz stehen. Richter hebt seinen Kopf und fasst sich an seinen weißen Oberlippenbart.
„Schön, ne?“, sagt Richter.
„Ja, sehr schön!”, antwortet der Kunde.
„Hab‘ ich aussortiert bei mir zuhause, da habe ich alle meine Buddhas geputzt und der wollte hier hin“, erzählt Richter.
Der Kunde nickt und geht weiter. Die Glasverzierungen an den Kronleuchtern werfen die Reflektion kleiner Regenbogen auf die Wände. Alte Tischleuchten tummeln sich auf und unter den Tischen. Gold glänzende Stehlampen stellen die Gänge zu.
Die Lampen kommen von überall her, von Antikmärkten in Frankreich und Ungarn, von Leuten die Nachlässe verwalten und für Richter sammeln, manchmal auch von Kunden, die ihre Antiquitäten verkaufen. Die ältesten Lampen stammen von 1880, die jüngsten kommen aus den 60er Jahren. „Dann hört’s auf. Alles, was nach den 60ern kommt, ist für mich uninteressant. Das überlasse ich dann Ikea“, sagt Richter.
Auf einem kleinen breiten Tisch vor ihm stehen keine Lampen. Sondern: ein Handmixer, an dem die hellblaue Farbe abblättert, eine Herdplatte aus Stahl und eine alte, mit der Hand zu bedienende Brotschneidemaschine aus Holz. „Ich finde alte Küchengeräte halt spannend“, sagt Richter. In der Regel seien diese besser als das, was man heute bekommt. „Heute ist viel Plastik dabei, die Mechanik ist meistens nicht so berauschend“, sagt er. Im Gegensatz dazu würden einige der alten Geräte noch immer funktionieren. „Man muss sich das mal überlegen“, sagt Richter, „die sind teilweise 70 Jahre alt und laufen immer noch!“
Trotzdem werden viele alte Geräte voreilig weggeworfen. Laut Europaparlament zählt Elektroschrott zu einem der am stärksten zunehmenden Abfallströme in der Europäischen Union. Weniger als 40 Prozent der Geräte werden recycelt. Die Reparatur ist dazu häufig teurer als die Anschaffung eines neuen Geräts. In seinem Laden setzt Richter zumindest ein kleines Zeichen dagegen, indem er alte Gegenstände repariert. Er greift wieder zu seinem Schraubenzieher und macht sich an die nächste Lampe.