​​Von alters her

Von alters her

An Kölns ältester Buchhändlerin perlt jede Krise ab. Sie hält am Altbewährten fest, nutzt noch die Schreibmaschine. Wie verzieht diese Frau bei allen Notlagen nie eine Miene?

Der hellgraue Teppichboden dämpft ihre Schritte, wenn Hildegund Laaff auf den blauen Gehstock gestützt durch die Räumlichkeiten der Lengfeld’schen Buchhandlung trippelt. In dem Regal hinter dem Tresen prangen großformatig Melville, Lagerlöf und Lispector auf den Einbänden. Zur Rechten des wuchtigen Massivholzschreibtischs stellt ein Playmobil-Diorama die Buchhandlung in Miniatur nach: Das gemütliche weiße Sofa samt Kaffeetisch, die Schwarzweißfotografien an den Wänden, der lindgrüne Lesesessel mit Stehlampe. Es riecht nach Papier und altem Holz. Laaff, Jahrgang 1937, führt die älteste Buchhandlung Kölns.

Ein Kunde fragt nach einem Proust-Werk. Sie wendet sich um zu dem Proust gewidmeten Regal – prall gefüllt, von unten bis oben – und deutet auf das Buch, das er sucht. Sie habe schon die Eltern und Großeltern von Kunden bedient, erklärt sie. Es kämen so viele interessante Leute – sie hält inne, lacht: „Vor allem unter der Woche. Heute ist Samstag.“ Die Möbel sind Sekretäre, ein gedrechselter Tisch, altersdunkle Regale mit Gebrauchsspuren. Nur Letztere sind älter als Laaff.

Aber wie stemmt dieses Geschäft – in dem Laaff die Quittungen noch immer auf der Schreibmaschine erstellt und die Kasse mit Hebeln bedient – die Herausforderungen einer digitalen, hastigen, unsteten Realität? Laaff verzieht keine Miene. Corona? Sie hätten einen Tisch als Tresen an den Eingang gestellt und dort Bestellungen entgegengenommen. Inflation? Sie runzelt die Stirn – die ersten Taschenbücher seien schon auf 34 Euro geklettert; was für Zustände – aber schüttelt dann den Kopf. Die Leute kämen trotzdem in diesen Laden, der sich nicht ändern will.

Laaff führt nun schon seit dreißig Jahren die Lengfeld’sche Buchhandlung, die selbst letztes Jahr 180-jähriges Jubiläum gefeiert hat. Die Plakette inmitten der Collage gerahmter Zeitungsausschnitte an der Wand verkündet stolz: „1842 – 2022“. Sie erzählt von ihren Anfängen in der „Bücherstube“ am Neumarkt. Seit 1957 ist sie Buchhändlerin. Sie erzählt davon, wie Papier rationiert und die Bücher teuer waren; erzählt von den Leihbuchabteilungen, die bis in die Sechzigerjahre hinein Teil jeder Buchhandlung waren.

…Verdreht die Augen über kommerzfokussierte Konkurrenten. „Was heißt bestverkauftes Buch? Das interessiert mich nicht“, rügt sie. Die Bücher hier werden danach ausgewählt, dass sie guten Inhalt bieten. Nicht zuletzt nach persönlicher Vorliebe, wie sie bekundet. Ob die sich auch alle verkaufen? Laaff hält inne. „Es gibt Bücher, die müssen einfach da sein. Ob es nun ein oder zwei oder drei Jahre hier steht, irgendwann kommt jemand, der es mitnehmen möchte.“