Trau dich!

Kein Mitgliedsbeitrag, viele Nationalitäten, unterschiedliche Startchancen – beim Fußball
bringt Arsalan Yousef jeden Samstag Kinder und Jugendliche zusammen, die sich sonst
vielleicht nie begegnen würden. Kann ein solches Training funktionieren?

Juri rennt schneller als die anderen Kinder. Kräftig tritt er den Ball. Dieser fliegt im hohen
Bogen durch die muffige Turnhalle. Er klatscht gegen eine dunkelblaue Matte, die als
improvisiertes Tor funktioniert. Strahlend dreht sich Juri zu seinem Trainer um. Arsalan
Yousef hebt seine Faust und ruft: „Der ist flink, der Junge!“ Juris Mannschaft liegt jetzt
vorne. Ein Junge in einem Ronaldo-Trikot ändert das. Sobald er den Ball erobert hat, schießt
er – ohne Zögern – direkt auf das Tor. Treffer. Er springt in die Luft, reißt die Hände hoch
und lässt sie an seinen Hüften vorbeisausen: „Siuuuuuuuuu“, ruft er – der klassische Ronaldo-
Torjubel.


„Der Altersunterschied zwischen den Kindern ist egal. Klamotten sind egal. Alles ist egal“,
sagt Yousef. Er trainiert die gemischte Truppe mittlerweile seit sieben Jahren. Die Kinder und
Jugendlichen, die hier Fußball spielen, tragen Jogginghosen, Jeans und nicht unbedingt
Fußballschuhe. Das komplette Gegenteil zu vielen anderen Fußballvereinen. Was das
Training des gemeinnützigen Vereins „KIDsmiling“ einzigartig macht, ist, dass hier jeder
kostenlos und immer vorbeischauen kann. Ohne Anmeldung, ohne Mitgliedschaft, ohne
Zwang. Talent ist nicht nötig. „Das heißt nicht, dass ich nichts erwarte“, erklärt Yousef. Die
Kinder sollen hier durchaus etwas lernen, fußballerisch, menschlich, und kulturell. Das
schätzen auch die Eltern der Kinder. „Wir kommen aus der Bonner Südstadt. Neun von zehn
Menschen dort sind weiß: Rechtsanwälte, Ärzte, blablabla“, berichtet ein Vater. Ihm ist es
wichtig, dass seine Söhne auch andere Kulturen kennenlernen. So wie hier, beim
Fußballtraining von Yousef und dem gemeinnützigen Verein.


Yousefs Blick fällt auf ein junges Mädchen. Es steht allein in der Mitte des Spielfelds. Um sie
herum rennen die Jungs dem Ball hinterher. Die Schuhe quietschen auf dem glatten
Fußboden. Es riecht nach Schweiß. Das Mädchen macht sich klein und verschränkt die Arme.
Sein Blick ist auf den Boden gerichtet. Mit schnellen Schritten geht Yousef auf sie zu. Er
beugt sich zu ihr herunter und flüstert ihr ein paar wenige Worte direkt ins Ohr. Das Mädchen
hebt den Kopf. Für einen kurzen Moment sehen Yousef und das Mädchen einander an. Dann
mischt sich das Mädchen wieder in das bunte Treiben auf dem Feld.


„Ich habe nach einem Ausgleich gesucht“, sagt Yousef, als er erzählt, wieso er hier als
Trainer angefangen hat. Gefunden hat er bei diesem Job aber viel mehr. Er hat Menschen
getroffen für die er mittlerweile mehr ist als nur ein Trainer. Yousef sagt: „Sie fragen mich,
wie man eine Bewerbung schreibt. Sie vertrauen mir. Sie nennen mich Onkel!“ Teilweise
kommen die Jugendliche jahrelang, jeden Samstag, Woche für Woche. „Früher waren sie eine
ganz schlimme Truppe. Nicht zu bändigen“, erinnert sich Yousef, „doch jetzt…“


Der Reihe nach stellen sich die jungen Kicker jetzt vor einem Kasten auf. Lena macht den
Anfang. Sie springt von Kasten zu Kasten, hüpft durch mehrere Reifen. Der Ball kommt dazu.
Hütchen müssen umdribbelt und über eine Bank balanciert werden. Geschafft! Als Lena das
erste Mal zum Training kam, stand sie allein vor dem Eingang. Sie beobachtete das Treiben in
der Halle, lehnte aber weiterhin im Türrahmen. Minutenlang blieb sie still. Hinein ging sie nicht. Heute steht sie in der Mitte des Trubels und erklärt den anderen Kindern, wie ihr selbst
ausgedachter Parcours zu absolvieren ist.
Fußball – das bedeutet hier mehr als eine Horde Kinder, die einem Ball hinterherrennen. Es ist
viel mehr ein Treffpunkt. Es geht um Zusammenhalt, um Integration, um soziales
Miteinander. Für Arsalan Yousef ist es wichtig, dass auch die älteren Teilnehmer etwas von
den Kleineren lernen, wie etwa Rücksicht zu nehmen. „Da können sie nicht so hart
draufschießen“ erklärt er, „daran wachsen sie!“ Kinder unterschiedlichen Alters,
unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlicher Hintergründe – sie alle treffen hier beim Fußball
aufeinander.

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