Stapelweise Hoffnung

Markus Reinhardts Antiquariat ist so voll, dass man es fast nicht betreten kann. Eine Katastrophe nahm ihm den Lagerraum. Es ist nicht die einzige Herausforderung, mit der er kämpft.

Die Bücher stapeln sich bis zur Decke. Der kleine Laden ist so voll, dass der Verkauf nur draußen stattfinden kann. Auch dort, auf dem Bürgersteig der Prenzlauer Allee, liegen unzählige gebrauchte Bücher. Sie stecken in Pappkisten, auf provisorischen Holztischen, vor der Hauswand voller Graffiti. Ein gelbes Leuchtschild kündigt an, wie der Laden heißt, und was es hier gibt: „Bücher“. Davor steht den ganzen Tag Markus Reinhardt, der Inhaber des Antiquariats, das auch „Die Geisterschmiede“ heißt. Unermüdlich sortiert er seine Ware neu. Denn er liebt das Lesen und seinen Laden. Seit 31 Jahren hat er ihn schon.

Lange Zeit lief alles rund, sagt Reinhardt. Doch dann kam eins aufs andere. Die Corona-Pandemie ließ das Geschäft einbrechen. Die Menschen kauften seitdem anders ein, sagt der Buchhändler. Sie schlenderten weniger in den Einkaufszonen, kämen seltener spontan vorbei. Vor allem die Stammkunden hielten das Geschäft während und nach der Pandemie noch am Laufen. „Die schleppen oft Bücher in Stapeln aus dem Laden“, sagt Reinhardt.

Doch dann die nächste Katastrophe: Vor etwa sechs Monaten gab es einen großen Wasserschaden in den hinteren Räumen des Ladens. Reinhardt kann sie deshalb nicht mehr als Verkaufsraum nutzen, muss nun alle Bücher im vorderen Raum lagern. Deshalb weitete er die Verkaufsfläche inzwischen auf die Straße aus.

Probleme wie diese haben viele kleine Läden, ob im Buchgeschäft oder sonstigem Einzelhandel. Auch, weil Kunden seit Jahrzehnten immer mehr Produkte – vor allem auch Bücher – online bestellen. Im Internet sind sie oft günstiger und werden direkt nach Hause geliefert.

Doch Markus Reinhardt bietet etwas an, das der Onlinehandel nicht kann: Er berät seine Kunden. Und er sagt, er wolle Bücher durch günstige Preise für alle Gesellschaftsschichten zugänglich machen. Ein vergilbtes Papier in Klarsichtfolie zeigt die Preise, die für alle Bücher in der Auslage gelten: Eines kostet drei Euro, zwei Bücher fünf Euro und drei Stück zehn Euro. Außerdem gibt es Ferienrabatte. „Damit die Leute auch am Strand was zum Lesen haben“, sagt Reinhardt. Er behalte jederzeit den Überblick über seine Kollektion und kann seine Kunden entsprechend beraten. Zusätzlich sei er mit dem aktuellen Regenradar und mehreren Regenschutzplanen stets auf jegliche meteorologischen Veränderungen vorbereitet – und könne seine Bücher schnell in Schutz bringen.

In Zukunft droht ihm allerdings noch ein weiteres Problem: Die Mietpreise in Berlin sind laut dem Institut der deutschen Wirtschaft so stark gestiegen wie nirgendwo sonst in der Bundesrepublik. Laut Reinhardt lag der Quadratmeterpreis seines Ladens früher bei 8,50 Euro. Mittlerweile sind es 17 Euro. Sollte das so weitergehen, sieht er keine Zukunft für sein Geschäft. Dass er den Laden irgendwann schließen muss, sei für ihn mittlerweile fast unumgänglich, sagt er. Es sei nur noch eine Frage der Zeit.Doch trotz dieser Gewissheit will Reinhardt seine Liebe für Bücher und sein tägliches Sortieren der Bücher nicht so schnell aufgeben. Er will auch weiterhin viele Menschen aus allen Schichten mit seinen Büchern begeistern. 

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