Sein Wille geschehe
Leere Kirchenbänke, Vertrauenskrise und Kritik an der eigenen Institution: Trotzdem will Markus Veltmann Priester in der katholischen Kirche bleiben. Warum?
„Amen“ hallt es. Das Wort erfüllt den Altarraum im Kölner Dom. Markus Veltmann steht in schwarz-weißen Gewändern auf und nimmt einen roten Ordner, auf den das Wappen des Erzbischofs geprägt ist, in die Hand. Dann tritt er an das Mikrofon. „Der Herr führt seine Erwählten in den Jubel“, sagt er und spricht so seine Gemeinde direkt an: In den ersten zwei Reihen der Kirchenbänke vor ihm sitzen etwa zwei duzend Gläubige. Der Rest der riesigen Kathedrale aber bleibt leer.
In der Morgenmesse sei das immer so, sagt Veltmann, selbst in so einem bekannten und wichtigen kirchlichen Bauwerk wie dem Kölner Dom. Veltmann hat hier eines der höchsten Kirchenämter inne, er ist Domkapitular. Dass immer mehr Bänke in den Kirchen während der Messen leer bleiben, sei eine Entwicklung, die man auch in anderen Bistümern sehe. Für Veltman ist das „schmerzhaft“. Er selbst habe nie einfach „nur“ zur Kirche dazugehören wollen, sagt er und dann: „ich wollte ihr und Christus mein ganzes Leben schenken – so wie Christus mir mein Leben geschenkt hat“.
Veltmann eilt in die Sakristei, legt sein Messgewand ab, bedankt sich bei den Mitarbeitern. In schwarzen Schuhen, Anzug und Priesterhemd verlässt er den Dom. Die Sonne scheint, es ist ein warmer Frühlingstag. „Bei dieser Hitze nur schwarz und einen Anzug tragen…ich brauch was zu trinken!“, murmelt er schmunzelnd, zieht die Brille ab und wischt sich Schweiß von Bart und Stirn. Auf dem Weg über den Vorplatz muss er drei Mal anhalten. Immer wieder sprechen ihn Gottesdienstbesucher an. Sie haben Fragen und wollen einen persönlichen Rat von ihm. Veltmann grinst und sagt: „Ist ja auch Teil von meinem Job, Menschen einfach mal zuhören.“
Mit 21 Jahren ist er in das Priesterseminar in Köln eingetreten. Später hat er zwei Semester in Rom an der Päpstlichen Universität studiert, mit 29 ist er zum Priester geweiht worden. Seitdem hat er sich hochgearbeitet durch verschiedene Kirchenämter, bis hin zum Domkapitular. Eigentlich ein beeindruckender Werdegang in der katholischen Kirche. Aber da sind eben auch die großen Herausforderungen der Zeit, die er täglich in seinem
Berufsalltag spürt. Da ist das Zölibat. Da ist die Kritik an der Amtskirche. Und da sind die Missbrauchsskandale und deren langjährige Vertuschung. Diese bereite Veltmann persönlich nur „Schmerzen.“ Er wünsche sich in dieser Hinsicht „Klarheit und Transparenz.“ Wieso aber bleibt Veltmann trotz alledem seinem Beruf und der Kirche treu?
Für Veltmann ist sein Beruf eher eine Berufung. Er sagt: „Berufung ist kein einmaliges Ja, sondern ein tägliches Suchen nach neuen Antworten. Es geht um die Balance“ Trotz der ständigen Herausforderungen, die die Kirche durchlebt, bleibt Veltmann standhaft. Die Kritik an der Institution, das Ringen mit dem Zölibat und die wachsende Kluft zwischen Tradition und Moderne machten es ihm nicht leichter, seiner Berufung zu folgen. Er sagt: „Meine Berufung ist kein leichter Weg, sondern ein Weg des ständigen Wachsens.“ Und so will er sich Tag für Tag aufs Neue dafür entscheiden, diesem Weg, dieser Berufung zu folgen. Trotz allem.