Scharfes Entertainment

Chilis sind kein typisches Produkt auf deutschen Wochenmärkten. In Neukölln ist das anders.

„Hast du denn schon mal mit einer Habanero gearbeitet?“, schallte es über den Markt. Es ist Felix Eichholtz, der in seinem kleinen roten Stand Chiliprodukte verkauft. Auf der Verkaufsfläche in Neukölln stehen die Saucen der Schärfe nach sortiert, rechts hängen Tütchen mit getrocknetem Chilipulver, darunter stehen Gläser mit Saucen und Ölen. Er freut sich über jede Person, die zu ihm an den Stand kommt und wirkt dabei leidenschaftlich, ohne aufdringlich zu sein – egal ob Kunden für einen kurzen Plausch kommen oder um zu schauen, was es gibt.

Früher hatte Eichholtz nicht viel mit Kulinarik oder gar Chili zu tun. Ein Freund fragte dann, ob er nicht einsteigen und Chilis verkaufen wolle. Heute ist Eichholtz Inhaber des Berliner Ladens „Pfefferhaus“ in der Nähe des Boxhagener Platzes in Friedrichshain, der zu einem größeren Unternehmen gehört. Und er verkauft unter anderem eben an seinem Marktstand. Für ihn sei von Anfang an klar gewesen: Er will die gesunde und geschichtsträchtige Art des Würzens auch in Deutschland bekannter machen. Für ihn steckt mehr dahinter als das reine Verkaufen. „Ich habe Lust daran, Menschen Freude zu bereiten“, sagt er. Scharfes Essen würde glücklich machen, da im Gehirn Endorphine und Dopamin ausgeschüttet werden.

Heute kommen immer mal wieder Interessierte an den Stand. Allen erklärt er geduldig, was die Saucen unterscheidet. So erklärt er einer jungen Frau: „Diese Sauce hier ist zwar sehr scharf, brennt aber nicht so sehr. Das liegt an der Art der Chili, sie spricht nicht dieselben Rezeptoren an wie zum Beispiel Peperoncini.“ Sein Fachwissen zieht er vor allem aus Gesprächen mit Kunden, die ihm von ihren Erfahrungen berichten. „In den 16 Jahren, in denen ich jeden Tag Chili verkaufe und mit bestimmt 100.000 Verkostungen zu tun hatte, kommt einiges zusammen“, scherzt er.

Doch sein Job besteht nicht nur aus Beratung. Dazu gehören auch das Bestellen, Planen, Saubermachen, Marketing und die Bürokratie der Selbstständigkeit. „Wir sind nun mal selbst und ständig“, sagt er und wirkt kurz nachdenklich. Das ändert sich aber wieder, als er erzählt, dass er die acht bis zehn Stunden Arbeit am Tag nicht unbedingt als anstrengend empfinde. Er sagt: „Ich bin einfach ein Genussmensch. Essen und Kochen tragen für mich zur Entspannung bei.“ Dabei geht Essen für ihn über die reine Nahrungsaufnahme hinaus. Das Zusammenkommen von Kulturen und der gemeinsame Austausch sind weitere Höhepunkte, die er auch mit seiner Arbeit erreichen will.

Es hat gedauert, bis das Geschäft richtig lief. Der Grund: die mangelnde Verbreitung der Chili in der deutschen Küche. „Wir sind halt eine Salz-, Pfeffer-, Kräuter-Kultur“, erklärt er und zuckt mit den Schultern. Doch ausgerechnet seit der Corona-Pandemie ging es bei ihm bergauf. Denn das „Pfefferhaus“ durfte als Lebensmittelgeschäft geöffnet bleiben. „Die Menschen waren nicht mehr auswärts essen. Um das nachzumachen, brauchen sie dann mehr besondere Zutaten“, sagt er.

Auch in Zukunft soll es weiter rund laufen. Eichholtz meint, die Nachfrage nach Chiliprodukten werde global eher steigen als sinken. Woran er das festmacht? Globalisierung. Menschen teilten immer mehr ihre Kulturen miteinander, wodurch es mehr internationale Produkte, aber auch entsprechendes Wissen brauche. Beides kann und möchte er anbieten. Darum will er in Zukunft eine „Schmeckschule“ aufbauen, in der er etwa Workshops zu Fermentation oder Chili-Tastings anbieten wird.Auf dem Markt will er weiter Chili verkaufen und damit seine Leidenschaft unter die Menschen bringen. Ein Stand sei für Besucher besonders zugänglich. Denn sie müssten sich nicht überwinden, über eine Türschwelle zu treten. „Ich entertaine gerne“, sagt Eichholtz. „Chili ist ein richtig emotionales Thema, über das Menschen in Kontakt kommen können.“

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