Mehr als nur ein Trick
Was bringt jemanden dazu, trotz Schmerzen, Stürzen und Rückschlägen immer wieder weiterzumachen? Skateboarder Ant zeigt es.
Die Sonne scheint durch die Baumkronen, Vögel zwitschern und eine leichte Brise weht. Etliche Jugendliche sitzen auf den Treppen vor dem Kölner Skatepark, den Blick gespannt auf den Schauplatz gerichtet, wo die Skater ihr Können unter Beweis stellen. Gerade nimmt einer von ihnen einige Meter Anlauf. Ant Özcan lässt sein Board auf den Boden gleiten und springt darauf. Er steuert auf die mit Graffiti bemalte Rail zu. Er will die Mitte seines Skateboards auf der Rail balancieren und am Ende abspringen – ein Frontside Boardslide. Die Arme hat Ant ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten, die Augen fest auf das Board fixiert, als wäre er selbst gespannt, ob der Trick klappt. Doch dann – plopp! Das Skateboard rutscht unter den Füßen des 27- jährigen hervor und schießt quer durch den Skatepark. Er springt ab, fängt sich und landet auf den Füßen. Locker schnappt er sich sein Board, klopft sich die Hose ab. Stürze, Hinfallen, das gehört zum Skaten dazu. Warum steht Ant trotzdem immer wieder auf?
„Also klar, das gehört halt dazu“, sagt der Gelsenkirchener mit einem Schulterzucken nach seinem Sturz, als er die Rampe wieder hochgeht. Er ist kein Anfänger, der mal eben ein bisschen Board fahren will. Zum zwölften Geburtstag bekam er sein erstes Skateboard von seinem Vater, damals, als er wegen eines Kreuzbandrisses eine Weile nicht laufen konnte und den Wunsch äußerte, nach der Genesung skaten zu lernen. Heute, fünfzehn Jahre später, arbeitet Ant als Begleitung an einer Förderschule. Eine Zwischenlösung. Denn nach seinem Psychologiestudium weiß er jetzt nicht, wo er beruflich hinmöchte. In den letzten zwei Jahren ist Ant weniger Skateboard gefahren, aber jetzt möchte er wieder mehr Zeit auf dem Board verbringen.
Viele Male hat sich Ant beim Skaten schon verletzt, acht Mal wurde er allein am Zeh operiert. Eine Weile konnte er deshalb nicht einmal Schuhe tragen. Und doch skatet er immer weiter. Denn das Skaten bringt ihn nach draußen auf die Straße – zu den „Locals“ des Parks. Deshalb ist er auch heute hier. Gerade hat der Trick nicht geklappt, aber das ist egal. Ant setzt sich mit seinen Freunden auf die Treppen am Rand des Parks, entspannt sich, schaut den anderen Skatern zu. „Gib dich der Wackelung hin, dann klappt das“, ruft Ant seinem Kumpel zu, der gerade auf Ants Skateboard seine ersten Versuche startet. Die Hände seitlich ausgestreckt, kämpft er um Balance – und schafft es schließlich, eine erste Kurve zu fahren. Für Ant geht es beim Skaten auch um Gemeinschaft, und um Zusammenhalt. Es geht auch darum, sich gegenseitig zu pushen.
Als Kind hat Ant auf dem Domplatz vor seinem Haus mit dem Board geübt. Dabei stieß er auch auf Leute, die das Skaten nicht mochten. Sie setzten sich zum Beispiel absichtlich auf Bänke, damit Ant darauf keine Tricks machen konnte. Doch in Köln, wo er seit sieben Jahren lebt, ist das anders: Hier gibt es eine große, unterstützende Szene. Den Lentpark, in dem Ant regelmäßig fährt, haben die Kölner Skater selbst mit aufgebaut. Jeder hilft hier jedem. Skaten ist für viele mehr als nur Sport. Auch für Ant. „Ich mache das, damit ich nicht sterbe“, sagt er. Dann rennt er mit seinem Skateboard los und steuert zielstrebig auf die Rail zu. Sein Hemd flattert im Fahrtwind, die Rollen quietschen und das Board rattert über die Stange. Dieses Mal klappt der Trick. Mit einem breiten Grinsen rollt Ant zu seinen Freunden zurück.