Lesen stirbt nicht aus

Mit 39 machte sich Coco Meurer mit ihrer eigenen Buchhandlung “Literaturensohn” und einem eigenen Kreativbüro selbstständig. Entgegen der Erwartung, der unabhängige und lokale Buchhandel sei vom Aussterben bedroht, trägt sich „Literaturensohn” von selbst. 

Meterhohe vollgestopfte Regale, Bücher, so weit das Auge reicht: all das bietet die Berliner Buchhandlung „Literaturensohn“ nicht. Coco Meurers Buchhandlung ist aufgeräumt, ästhetisch, bunt – und ziemlich leer: Alle Titel stehen aufgereiht in den nur zwei Regalen an der Wand oder werden einzeln auf einem der Büchertische präsentiert. Die Inhaberin Coco legt Wert auf Klarheit und Ästhetik, ohne ihre Kundinnen und Kunden mit Reizen zu überfluten. „Wenn ich eine Bar hätte, stünde außen einfach nur Bar. Und wenn ich ein Kino hätte, stünde da einfach nur Kino.“

Meurer sitzt gelassen in pinken Crocs und einer gelben Cappy, die zu ihrem eigenen Merchandise gehört, auf der Treppe, als sie beginnt, über ihren Lebensweg zu sprechen. 

Meurer war nicht immer Buchhändlerin. Mit 17 brach sie ihr Abitur ab und machte daraufhin eine Ausbildung zur Friseurin. Als sie mit 23 eine psychische Krankheit bekam, legte sie eine einjährige Pause ein und schrieb sich danach für einen Medienstudiengang in Berlin ein.

Bereits im Studium begann sie, als Musikjournalistin zu arbeiten, jobbte nebenbei als Visagistin und Stylistin. Nach ihrem Studium durchlief sie direkt weitere kreative Jobs: Sie arbeitete am Cover Design einiger Musikerinnen, gründete mit einer Künstlerin ein gemeinsames Modelabel und war Chefredakteurin ihres eigenen Magazins. Manche würden sagen, sie ist das, was man auf Social Media anerkennend als „real life Barbie“ bezeichnen kann: eine Frau, die scheinbar alles sein kann.

Nach Stationen im Marketing bei verschiedenen Firmen ebnete sich Meurer einen Weg in eine Branche, in die sie schon immer gehen wollte: die Literaturbranche. Im Februar 2020 rief sie ihren Instagram-Account „Literaturensohn” ins Leben: einer, der sich ausschließlich mit Literatur beschäftigen sollte. Knapp anderthalb Jahre später wurde der Rowohlt-Verlag auf ihn aufmerksam und Meurer trat dort die Stelle als Online-Marketingmanagerin an. 

Letztes Jahr fasste sie den Entschluss, sich selbstständig zu machen und erfüllte sich im September 2023 den Traum ihrer eigenen Buchhandlung. Die Selbstständigkeit erweiterte sie um ihr eigenes Kreativbüro, das durch eine offene Treppe mitten im Laden erreichbar ist. Dort arbeitet Meurer an Designs, Texten und Content für die Literatur anderer Menschen. 

„Literaturensohn” folge dem Ziel, weibliche*, queere und nicht-weiße Stimmen in den Vordergrund zu stellen. Meurer sagt, sie wolle Bücher verkaufen, die aus Perspektiven geschrieben wurden, die sonst unterrepräsentiert werden. Nicht mehr als 300 Titel im Laden, so lautet Meurers Devise. Sie wählt jedes Buch selbst aus und achtet sowohl im Kinder- als auch im Erwachsenenbuch stets auf Diversität und Inklusion, sagt sie. Denn: „Ich fände es gut, wenn wir aufhören würden, so zu tun, als würde Literatur alten weißen Männern gehören.“

Außerdem sieht es Meurer als ihre Aufgabe, allen Menschen Zugang zu Literatur zu ermöglichen und besonders junge Frauen im Lesen zu bestärken. Bücher, sagt sie, seien für alle da. Sie wolle, dass „immer mehr Menschen keine Angst mehr vor Literatur haben.” 

Die meisten ihrer Kundinnen und Kunden generiert Meurer über Instagram. Laufkundschaft hingegen habe sie wenig. „The Shit” sei die Plattform. „Ohne Instagram hätte ich die Buchhandlung niemals eröffnet.” Entscheidend sei gekonntes Design mit Wiedererkennungswert und ein Gesicht hinter dem Account: „Ich bin mein eigenes Testimonial”, sagt Meurer.

Ihr Konzept vom Bücherverkaufen: Sie setzt auf „Hipstertum“. Und das, was sie „spitz kuratiert“ nennt. Heißt: Sie sucht ganz wenig aus, nur das, worauf sie Lust hat – und wovon sie glaubt, dass es ihre Zielgruppe bereichert. Diese bestehe aus Frauen zwischen 25 und 40, die „frei leben wollen.“ In Meurers Laden funktioniere das Konzept, er sei sofort profitabel gewesen. „Es wird ja immer gesagt, dass das Lesen ausstirbt“, sagt sie. Doch das stimme nicht. Jedenfalls nicht in ihrem Haus.

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