Kunst auf dem Asphalt

Wie ein Straßenkünstler am Kölner Dom sich frei malt.  

Farbiger Staub klebt an seinen von Hornhaut überzogenen Fingern. Ratsch – seine Plastikbrotdose und der Stoff seiner Jeans schleifen über den lauwarmen Asphalt. Mit einem Kissen unter dem Körper und einem angewinkelten Bein robbt sich Ralf Ernst weiter nach vorne – über den Domplatz in Köln, der ihm zur Leinwand wird. Ralf greift nach einem Stück gelber Kreide und fährt die Konturen seines Kunstwerks nach: Das Gesicht Jesu, gemalt in satten Orange- und Rottönen, mit strahlend blauen Augen. Ralf ist Straßenmaler aus Leidenschaft, seit den 1960er Jahren ist er mit Kreide und Künstlerblick an öffentlichen Plätzen unterwegs.

„Straßenkunst macht mich frei“, sagt Ralf mit leuchtenden Augen. Aufgewachsen auf dem Dorf, träumte er schon früh von der großen weiten Welt. Damals fuhr er mit dem Motorrad durch Europa, malte dort, wo er Halt machte. Damals war das einfach, erzählt er. 

Heute sei das schwieriger. „Das Ordnungsamt ist strenger geworden“, sagt er. Gerade in Ulm habe man ihn zuletzt hart angegangen: Nicht nur durfte er dort nicht mehr malen, ihm wurde sogar mit einer Anzeige gedroht. Seine Kunst – seine Existenzgrundlage – sei deshalb in Gefahr.

Ein metallisches Geräusch reißt ihn aus seinen Gedanken. Klirr – die kleine Hand eines Kindes lässt eine Zwei-Euro-Münze in den silbernen Hundenapf vor Ralf fallen. Bis eben lagen drei Euro darin. Ralf reagiert nicht. Sein von tiefen Falten gezeichnetes Gesicht bleibt gerichtet auf das Bild auf dem Boden, an dem er arbeitet. Mit lockerer, leicht gebeugter Haltung fährt er langsam mit der Kreide über den Asphalt.

Ratsch – wieder ein Stück nach vorn. Das christliche Motiv, das er hier entstehen lässt, ist nicht zufällig gewählt. „In Aachen würde ich Karl den Großen zeichnen, hier am Dom eben kirchliche Themen“, erklärt er. Seine Motive sucht er immer passend zum Ort aus.

Ralf will noch mehr von der Welt sehen. Vor allem Russland und Osteuropa reizen ihn. Nicht als Tourist, sondern als Reisender. Wie früher, mit dem Motorrad, mit der Kreide in der Tasche – und der Straße als Bühne.

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