Grün gegen grau
In Neukölln liegt mit dem Prinzessinnengarten eines der größten Urban-Gardening-Projekte Berlins. Doch einer, der hier fast täglich gärtnert, sorgt sich um die Zukunft solcher Orte.
Zwischen Motorgeräuschen und Vogelgezwitscher öffnet der Prinzessinnengarten in Neukölln an diesem Morgen um elf Uhr. Der Garten ist ein gemeinnütziges Projekt, ein Ort zum Spazieren, Hunde ausführen und Gärtnern. Baumkronen versperren den Blick zum Himmel. Vierstöckige Wohnhäuser blockieren die Sicht in die Ferne. Links und rechts ragen Grabsteine aus der Erde. Das Gelände liegt auf einem ehemaligen Friedhof. Ringsherum explodieren Pflanzen aus Hochbeeten. Gras wächst in alle Richtungen.
Was für viele wie eine Fläche voller Unkraut wirkt, beherbergt eines der größten Urban-Gardening-Projekte Berlins. Mitten in der Hauptstadt kommen hier die verschiedensten Menschen zusammen, um Bienen zu züchten, Tomaten zu pflanzen oder Gurken zu ernten. Unter ihnen sind Freiwillige und Festangestellte, Familien und Rentner. Einer, der hier fast jeden Tag gärtnert, ist Matthias Wilkens. Er ist 46 Jahre alt und betreibt den Staudengarten. Er pflanzt die hübschen Blumen an und verkauft sie dann im Hofladen des Gartens. „Jede Staude, die ich hier verkaufe, ist eine weniger, die im Baumarkt verkauft wird“, erzählt Matthias. Für ihn ist das Urban-Gardening-Projekt ein Herzensprojekt. Es habe eine große Bedeutung für das Stadtklima und den Schutz der Artenvielfalt. Sie würden zudem einen sozialen Treffpunkt kreieren und zum Klimaschutz beitragen. Trotzdem sind Urban-Gardening-Projekte wie das im Prinzessinnengarten gefährdet: Es fehlt an Unterstützung, Bauprojekte nehmen den Platz weg.
Zumindest in Matthias’ Garten ist davon noch wenig zu spüren. Mit seiner runden Brille und dem alten grünen Wohnwagen am Rand seines Beets erinnert Matthias an einen jungen Peter Lustig. Über seine Stauden gebückt, wählt er einzelne Pflanzen aus, ordnet sie behutsam in einem Korb an und befördert sie in einer Schubkarre in den Hofladen. Seine Funktionsschuhe hinterlassen Fußabdrücke mit jedem Schritt. Immer wieder stoppt er seine Arbeit, um seine Ärmel hochzukrempeln. Der Schlüsselbund in seiner Jackentasche rasselt.
Im Eröffnungsjahr 2009 des ersten Prinzessinnengarten am Moritzplatz in Kreuzberg sei der Begriff „Urban Gardening“ für viele noch ein Fremdwort gewesen, erzählt Matthias. Heute sei es zum Trendthema geworden, mit dem sich auch gerne große Firmen schmückten – auch die, die alles andere machten als nachhaltig zu wirtschaften. Matthias kritisiert diese Entwicklung: „Viele Firmen haben sich ein Urban-Gardening-Projekt als grünes Feigenblatt aufgeklebt.“
Zudem beklagt er mangelnde Anerkennung und Unterstützung durch die Stadt und die Verwaltung. Er sagt: „Wir haben grundsätzlich ein Finanzproblem.“ Sein Urban-Gardening-Projekt überlebe vor allem durch Freiwilligenarbeit und Spenden, sowie durch Projekte, die der Garten für Privatpersonen, Schulen oder Kitas durchführt. Aber der Garten brauche nun mal auch Festangestellte – und die kosten Geld.Beim Hofladen parkt Matthias gerade seine Schubkarre und genehmigt sich eine seltene Pause. Unter seinem Arm klemmt der Tabak, seine Finger drehen das Papier. Als er sich hinsetzt, quietscht die Bank, aber dies scheint ihn nicht zu stören. Er hofft, dass er hier noch lange gärtnern kann. Um dem grauen Beton der Stadt immer mehr Grün entgegenzusetzen.