Es ist eben ein Regenbogenland

Wocheneinkauf auf dem Markt. Für viele anstrengend. Für andere Treffpunkt, um mit anderen zu reden. Christine Neundorf erzählt, was der Markt und die Menschen für sie bedeuten.

Berlin-Schöneberg, der Wochenmarkt am Winterfeldtplatz. Es ist ein Samstagmittag Anfang August. Die Sonne strahlt. Zwischen zahllosen Ständen bummeln die Menschen. Das Rollen eines Kinderwagens ist zu hören, neben dem ruhigen Getuschel eines älteren Ehepaares. Der Geruch von Gebäck und Kaffee bahnt sich hindurch. Und inmitten des Trubels hört man laute, enthusiastische Rufe: „Wer hat noch nicht? Wer will nochmal?“ Sie kommen vom Obst- und Gemüsestand Neundorf. Hier packt die gebürtige Berlinerin Christine Neundorf gerade den Einkauf einer Kundin in eine Tüte. „Einen schönen Tag Ihnen noch“, sagt sie. Mit einem Lächeln bedient sie direkt den nächsten Kunden.

Christines Familie gehört hier der Laden. Zusammen mit ihrer 80 Jahre alten Mutter und ihrem Sohn verkauft sie Obst, Gemüse und Kräuter. 1992 gründeten die Familie Neundorf ihren Stand. Heute führen sie den Laden in dritter Generation. In den kommenden Jahren werde ihr Sohn nach und nach „die Alten rausschubsen“, sagt Neundorf, „und dann alles selbst machen“. Viele Kundinnen und Kunden hätten schon in den Neunzigern bei ihnen eingekauft und seien ihnen über Jahre treu geblieben. Die Kundinnen und Kunden stellen die klassischen Fragen: Wie geht’s denn so? Was machen die Kinder? Denn hier kennt man sich und es wird auch mal beim Einkauf geplaudert.

Es sind auch solche unter den Kunden, die es nicht so leicht haben. Zum Beispiel Rentner, die wenig Geld haben. Neundorf musste gerade in letzter Zeit so einige Preise erhöhen, sagt sie. Damit hätten besonders ältere Menschen, deren Rente nicht so hoch ist, sehr zu kämpfen. Doch Neundorf hat sich immerhin für manche eine kleine Lösung überlegt: Die Familie hebe angeschlagene oder übriggebliebene Ware auf, spende einen Teil direkt an die Tafel. Und falls sie von Rentnern gefragt werde, ob sie etwas übrig hätten, meine sie: „Hab ich! Auf jeden Fall!“ Niemand im Kiez solle zu kurz kommen.

Trotz steigender Preise und Konkurrenzkämpfen mit Discountern blickt Neundorf optimistisch in die Zukunft. Sie schwöre auf ihre Qualität und meint, dass es immer Menschen geben werde, die bereit seien, für „gute Waren auch mal einen Euro mehr auszugeben“. Sie ist froh, Markt und Menschen zu haben. Die Kunden seien für sie „treue Seelen“.

Nicht nur ältere Personen kaufen hier ein, sagt Neundorf. Sondern alle: „Viele junge Menschen ziehen in letzter Zeit nach Schöneberg.“ Auch der Trend, selbst zu kochen, scheine unter der Jugend immer beliebter zu werden, glaubt sie. Daher kauften auch immer mehr Junge bei ihr ein. Der Markt werde immer mehr Mittelpunkt des Kiez: „Wir haben hier einfach alles“, sagt Neundorf. „Und das ist das Tolle an diesem schönen Markt: Es ist eben ein Regenbogenland“.

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