Ein Mann und seine Rikscha
Jeden Tag radelt Julius Flores bis zu 40 Kilometer mit seiner Fahrradrikscha quer durch Köln. Was treibt ihn dabei an?
Lange bevor man Julius Flores sehen kann, ist er schon zu hören. An diesem Samstagmorgen ist die Kölner Domplatte stark besucht: Passanten wuseln herum, schießen Fotos und bestaunen die Verzierungen des Doms. Das Stimmgewirr der Menschen vermischt sich mit ihren Schritten und den Durchsagen des nahegelegenen Bahnhofs zu einem städtischen Grundrauschen. Doch plötzlich ertönt ein helles kling, kling. Es ist die Klingel von Julius Flores, der sich mit seiner Fahrradrikscha schlangenartig durch die Menschenmassen kämpft.
Mit breitem Lächeln sitzt er auf seinem Gefährt. Seine grauen Haare hat er zum Dutt gebunden und auf seiner Nase sitzt eine runde Brille aus filigranem Metall. Eigentlich sei er Informatiker, sagt er, aber dieser Job habe ihm irgendwann keinen Spaß mehr gemacht. Seit nun schon vier Jahren verdient er sein Geld anders: Er bringt mit seiner Rikscha Leute durch die gesamte Kölner Innenstadt. Während seine Klassenkameraden in der Grundschule immer Polizisten, Feuerwehrmänner oder Ärzte werden wollten, wollte Flores schon damals vor allem etwas werden, mit dem er seine Familie über Wasser halten könne. Also kaufte er sich eine grün-lackierte Rikscha, nannte sie liebevoll Floria und radelte los. Jeden Tag setzt er sich immer wieder aufs Neue dasselbe Ziel: Geld verdienen, um seine Familie versorgen zu können. Doch das ist nicht unbedingt leicht.
Flores ist darauf angewiesen, genügend Mitfahrer zu finden. Er klingelt laut, macht auf sich aufmerksam und spricht die Leute einfach direkt an. Das fällt ihm ziemlich leicht. „Ich bin gern unter Menschen“, sagt Flores. Er sei nun mal eine „Schnisselbacke“. Also jemand, der immer am Reden, am Quasseln, am Quatschen ist. Heute startet er seine Route am Kölner Dom – Es soll in Richtung der Hohenzollernbrücke gehen. Flores strampelt los, die Elektro-Rikscha surrt, es klappert und rumpelt.
In zügigem Tempo fährt Flores über das Kölner Messegelände in den Rheinpark. Dieser zählt zu einem seiner Lieblingsorte in Köln. Nicht weit entfernt von hier lebt er mit seiner Frau und mehreren Töchtern. Für sie, für seine Familie, macht er das Ganze hier. Für sie strampelt er täglich etwa 30 bis 40 Kilometer mit seiner Rikscha durch Köln. Gerade kommt er an einer von Gänseblümchen umgebenen Parkbank vorbei, ein enthusiastisches „Grüßchen!“ schallt ihm von dort entgegen. Ob er die Frau im lachsfarbenen T-Shirt auf der Bank kenne? Nö.
Flores hat Schulden: 13.000 Euro hat seine Rikscha gekostet, die er bis heute noch immer abzahlen muss. Alle drei Wochen kommt außerdem noch der Austausch kaputter Speichen dazu. Auch das ist teuer. Also strampelt Flores fleißig weiter. Tag für Tag. Muskelkater in den Beinen? „Kenne ich nicht!“, sagt er.
Flores bleibt optimistisch, denn das Fahren mit der Rikscha mache ihm auch Spaß. Auf dem Weg zur Altstadt erzählt er davon: Das Quietschen der Bremsen, das Knattern der Räder und das Hin- und Herschwanken der Rikscha auf dem Kopfsteinpflaster, all das mache ihn glücklich. Und es mache ihn stolz, wenn er mit der Rikscha genug verdient, um seiner Familie etwas bieten zu können. Seine älteste Tochter bewundere seinen Job. Später, wenn sie groß ist, wolle sie dann auch mit ihrer eigenen Rikscha querbeet durch Köln flitzen. Ganz wie der Papa.