Ein Gefühl von Wunder

Sinan Focali arbeitet im „Zauberkönig“, einem der ältesten Zauberläden der Welt. Ein Besuch dort fühlt sich an wie in Harry Potters Winkelgasse.

Winzige Plastikgebisse, Tarotkarten, Zauberstäbe – im „Zauberkönig” in Berlin-Neukölln reihen sich Scherzartikel und Utensilien für Zaubertricks aneinander. Außerdem „Scheiße am Stiel“ – ein Deko-Produkt, das ziemlich genau das hält, was es verspricht: Plastikkot an weißen Stielen, wie man sie von Lollis oder Eis kennt. Hinter der hölzernen Theke steht Sinan Focali, Angestellter im „Zauberkönig“, und erklärt einem kleinen Jungen, wie man am besten Milch mit einer speziellen Flasche verschwinden lassen kann.

Sinan Focali ist 21 Jahre alt, hat kurzes braunes Haar und trägt ein kariertes Hemd, dessen Ärmel er locker hochgekrempelt hat. Sein Weg in den „Zauberkönig“, mit bald 140 Jahren eines der ältesten Geschäfte für Zauberartikel weltweit, war eher ungeplant: Als Jugendlicher entdeckte er den Laden – und kurz darauf seine Begeisterung für die Zauberei. Er fing selbst an, Tricks einzuüben, und war bald ein so häufiger Kunde im „Zauberkönig“, dass das Team ihn fragte, ob er nicht bei ihnen anfangen wolle. Seit 2016 arbeitet er im Laden und führt gelegentlich eigene Zaubershows vor. Parallel dazu studiert er Chemie und Biologie auf Lehramt. Ob er später hauptberuflich zaubern will, weiß er noch nicht.

Im „Zauberkönig“ hat Sinan selten eine ruhige Minute. Es ist voll in dem kleinen Geschäft, heute sind vor allem Familien mit Kindern und junge Erwachsene da. Einige wollen nur schmökern, andere lassen sich Tricks erklären. Zwischen den Regalen ertönen leise Rufe wie „Schau mal, wie witzig!“ oder „Das ist ja cool!“. Ein Mann Mitte zwanzig fragt, wie man einen grünen Schaumball in einen Trick einbauen kann. Sinan zeigt, wie man ihn so aus der Nase ziehen kann, dass die Leute ihn für einen gigantischen Popel halten.

Der „Zauberkönig“ hat schon vieles mitgemacht: Der Laden, gegründet 1884, hat zwei Jahrhundertwechsel und zwei Weltkriege überlebt. Dass er trotz der wachsenden Konkurrenz durch große Ketten und Onlinebestellungen noch besteht, begründet Sinan Focali mit der persönlichen Beratung im Laden. „Nur in einem Zauberladen hat man die Möglichkeit, sich etwas zeigen zu lassen.“ Dabei sei das bei Zaubertricks natürlich besonders wichtig. Außerdem werden im „Zauberkönig“ auch Shows vorgeführt und Zauberkurse angeboten.

Der kleine Junge, der seine Milch verschwinden lassen will, bleibt mit seiner Familie über eine halbe Stunde im Laden. Er verlässt ihn mit einem breiten Lächeln im Gesicht – und einer neuen Zauberflasche. Seine vielen Fragen scheinen vorerst beantwortet zu sein – und falls nicht, kann er jederzeit wiederkommen. Eine Möglichkeit, die er bei einer Onlinebestellung sicher nicht gehabt hätte.

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