Die Schatzsucherin
Mareike W. sucht auf dem Flohmarkt nach etwas ganz Besonderem. Wird sie fündig?
Die ersten Sonnenstrahlen brechen durch den Dunst über der Kölner Galopprennbahn am Rand der Metropole. Es ist ein Samstagmorgen um kurz vor zehn Uhr. Während sich Kilometer weiter, mitten in der Stadt, noch viele Menschen im Bett wälzen, wird hier schon geschleppt, gestapelt, gerufen und gepfiffen. Denn wie jeden Samstag findet auch heute auf der Galopprennbahn ein Flohmarkt statt. Er ist ein kleines Universum für sich. Wer hier eintaucht begegnet Geschichten, Erinnerungen und Menschen, die hier ihre ganz eigenen Schätze verkaufen – oder nach ihnen suchen.
Eine von ihnen ist Mareike W. „Ich bin fast jeden Samstag hier“, sagt sie, während sie sich durch die Menschenmenge des Flohmarkts. Mareike W. ist 67 Jahre alt, hat ein faltiges Gesicht und graue Haare. Unter den Flohmarktbesuchern fällt sie sofort auf, denn ihre Klamotten sind knallgrün: Mütze, Pulli, Regenjacke – alles grün. Die ältere Dame ist auf dem Markt aber nicht einfach auf der Suche nach irgendetwas, sondern hat ein klares Ziel: Mareike W. will Porzellan für ihre Sammlung kaufen, am liebsten fein gearbeitet und ein Stück mit Geschichte.
Langsam geht Mareike W. jetzt an den Ständen entlang, die Augen wachsam, die Hände in den Taschen ihrer Jacke vergraben. Zwischen alten Schallplatten vergilbten Büchern und verstaubtem Spielzeug sucht sie nach ihrem Porzellan. Nach ihrem Schatz. Sie beugt sich, dreht einen Teller vorsichtig um, streicht prüfend mit dem Finger über eine bemalte Kante. Ein geübter Blick, ein leises Kopfschütteln. „An manchen Tagen hat man auch mal kein Glück, damit muss man immer rechnen“, sagt sie. Leider kein Erfolg, das heißt auch: Also geht’s weiter!
Sie sammele schon seit fast 30 Jahren Porzellan, erzählt Mareike W. „Angefangen habe ich durch meine Kinder, die mir seit meinem 35. Geburtstag jedes Jahr neues Porzellan schenken“, sagt sie. Jedes Teil in ihrer Sammlung erzähle eine eigene kleine Geschichte. Genau das fasziniere sie so. Für Mareike W. geht es nicht um den materiellen Wert, sondern um die Freude, ein besonderes Stück zu finden und es zu Hause in ihrer Vitrine oder auf ihrem Regal weiter leben zu lassen. „Ich hoffe natürlich, dass meine Kinder irgendwann die Sammlung übernehmen, wenn ich nicht mehr da bin – auch wenn sie wahrscheinlich nicht den nötigen Platz dafür haben“, sagt Mareike W. lächelnd. Sie hat inzwischen ein ganzes Zimmer nur dem Porzellan gewidmet: Schüsseln, Vasen, Engelsfiguren, Nussknacker. Und heute soll noch ein weiteres Schmuckstück dazukommen. Mareike W. sucht weiter.
Dann, an einem unscheinbaren Stand, fast versteckt hinter Kisten voller Flohmarkt-Krimskrams, bleibt sie plötzlich stehen. Ihre Finger tasten über die Glasur einer kleinen, filigranen Vase. Ein alter, verstaubter, kaum sichtbarer Stempel auf der Unterseite verrät ihr, was sie wissen muss: Es handelt sich um echtes Porzellan. Das kleine Qualitätssiegel ist der Beweis. Mareike W. lächelt und zieht ein paar Münzen aus ihrer Jackentasche. Dieses Mal hatte sie Glück. Heute hat sich ihre Suche ausgezahlt.