Die Erfüllung kommt von Innen

Heute planen viele ihre Karriere bis ins kleinste Detail. Alex Patsialidis lässt das Leben auf sich zukommen. Freiheit ist ihm wichtiger als Geld und Status.

Alex Patsialidis drängt sich nicht auf. Während der Kunde sich umschaut, bleibt er hinter der Kasse stehen. In dem Laden für Herrenmode schmücken Schaufensterpuppen in gemusterten Hemden die Fensterfront. An einem Ständer hängen Sockenpaare, auf denen wahlweise die Queen oder die Nofretete majestätisch blicken. In einem Regal liegen sorgfältig gefaltete Jeans und Chinos. Es läuft ruhige Musik.

Patsialidis, 32, arbeitet seit neun Jahren in dem Laden für Herrenbekleidung. „Dabei habe ich mit Mode nicht viel am Hut“, sagt er. Vielmehr gehe es ihm um den zwischenmenschlichen Kontakt und die Atmosphäre. Es mache ihm auch nichts aus, dass er dabei nicht die Welt verdient. „In Geld projizieren viele Freiheit“, sagt er. „Doch die Erfüllung kommt von innen.“

In seinem Job hat er Zeit, sich mit den Menschen auszutauschen. Als der Kunde nach einer passenden Größe für ein dunkelblaues Hemd fragt, verschwindet er kurz im Lager. Den Großteil der Zeit quatschen sie aber einfach herzlich miteinander. 

Patsialidis ist eher zufällig Modeverkäufer geworden. Einen richtigen Karriereplan hatte er noch nie. In einer Zeit, in der schon Kinder gefragt werden, was sie später werden wollen und viele ihren Berufsweg minutiös durchplanen, ist er jemand, der das Leben nimmt, wie es kommt. „Wer Erwartungen hat, wird nur enttäuscht“, sagt er. Lieber lasse er sich vom Leben treiben – und vertraut darauf, dass er schon eine Lösung findet, wenn es Schwierigkeiten gibt.

Veränderung ist er gewohnt: Geboren in Berlin, zog er als Zehnjähriger mit seinem Vater nach Koufalia, einem Dorf bei Thessaloniki in Griechenland. Mit seiner Mutter habe er in der Zeit nur sporadisch Kontakt gehabt, erzählt er, habe aus den Anrufen aber viel Kraft gezogen. Während er den Wehrdienst absolvierte, wurde Griechenland von der Schuldenkrise erschüttert. Patsialidis’ Vater kehrte nach Deutschland zurück, er selbst zog wenig später zu seiner Mutter nach Berlin.

Zwei Jahre lang habe Patsialidis als Plakatierer gearbeitet. Dann gründete er zusammen mit einem Mann, den er auf einer Kreuzfahrt kennenlernte, eine Eventfirma. Doch sie ging bankrott. Statt an dem Schicksalschlag zu verzweifeln, begab sich Patsialidis wieder auf die Jobsuche – und landete schließlich im Modeladen. „Die Dinge kommen, wie sie kommen“, sagt er. „Jeder wächst Stück für Stück und in seinem Tempo auf.“

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