„Das Leben ist wie ein Spiegel“

Was ein Taxifahrer über das Leben gelernt hat und wie er mit schwierigen Lebensumständen umgeht.

Die Reifen quietschen, der Motor dröhnt. Abrupt kommt das beigefarbene Auto vor dem KaDeWe zum Stehen. Die Fahrertür des Autos schwingt auf und ein großgewachsener Mann steigt aus dem Wagen. Mit gesenkten Schultern huscht Erkan um sein Taxi herum und greift unauffällig in seine Jeanstasche, um seinen Tabak herauszuholen. Er wirft einen kurzen Blick auf die Uhr und dreht sich eine Zigarette. Eine kleine Flamme leuchtet auf, Tabakgeruch liegt in der Luft. 

Der 55-jährige Erkan ist vor rund 30 Jahren von der Türkei nach Deutschland ausgewandert. Davor hat er in der Türkei eine Ausbildung als Juwelier abgeschlossen, jedoch hatte er Probleme, dieses Handwerk in Berlin weiter auszuüben. Durch seine Freunde in Deutschland kam er auf die Idee, als Taxifahrer in der Hauptstadt zu arbeiten. Diesen Beruf übt er nun seit mehr als 20 Jahren aus. „Ich bin so flexibel wie noch nie, das macht mich glücklich”, sagt Erkan. Es gibt aber auch schwierige Momente: „Rassismus kam auf jeden Fall schon häufiger vor”, sagt er. “Ich solle hier abhauen, meinten sie zu mir. Aber mit solchen Menschen zu diskutieren, ergibt keinen Sinn und dann lass‘ ich es auch.” Ruhe gibt ihm dabei, dass er an das Konzept von Karma glaubt: „Das Leben ist wie ein Spiegel. Wer gute Taten vollbringt, wird Gutes zurückbekommen und andersherum genauso.“

Eine sommerlich gekleidete Frau steigt in Erkans Taxi. Es piept, als er den Taxameter anschaltet. Eine rote Zahl erscheint, die im Laufe der Fahrt immer höher wird. „Wo soll‘s denn hingehen?“, fragt er die Frau, die hinten im Taxi Platz genommen hat. Erkan fährt los, der Motor heult auf und im Rückspiegel wird das KaDeWe immer kleiner.

Von der Corona-Pandemie ist auch Erkan nicht verschont geblieben. Was ein Taxifahrer verdient, ist von der Anzahl der Menschen abhängig, die er befördert. Während der Corona-Pandemie jedoch blieb sein Taxi oft leer. „Ich musste zum ersten mal Wohnhilfe beantragen, weil mein Einkommen nicht ausreichte. Das war sehr schwer für mich”, sagt er. “Auf der anderen Seite hatte ich viel Zeit, die ich mit meiner Tochter verbringen konnte.“ Auch wenn die Pandemie noch nicht ganz vorbei ist, schaut Erkan positiv in die Zukunft und ist überzeugt, dass bald wieder mehr Fahrgäste in sein Taxi einsteigen werden.

Als Erkan den Bundestag erreicht, hört er bereits den Trubel der Menschen, die davor stehen. Er stoppt den Taxameter, der mit einem lauten „Piep“ auf seinen Knopfdruck reagiert. „Das macht dann 10,80 €, bitte“, sagt Erkan an und bekommt wenige Sekunden später sein Geld ausgehändigt. Erkan und die Passagierin steigen beide aus. Sie wirft ihm zum Abschied noch ein Lächeln zu und verschwindet im Trubel des Bundestages. Erkan zündet sich wieder eine Zigarette an. Seine Mundwinkel gehen nach oben. „Jeder bekommt das was er verdient, darauf verlasse ich mich“, sagt er leise.

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