„Das Himmelbett hat mich gerettet“

Christina engagiert sich im Himmelbeet – einem Gemeinschaftsgarten, der “das gute Leben für alle” ermöglichen will. Oder zumindest eine kleine Auszeit im Grünen. 

Im Schatten der Baumkrone sitzt Cristina, 52, auf einer Bierbank, vor ihr der vollgeladene Tisch. Neben einem Korb Zwetschgen und einer Zucchini liegt eine kleine Skizze des Gartens, die sie mit Bundstiften zu Ende zeichnet. Im Hintergrund rattern Schubkarren – aber auch die S-Bahn. Denn der Gemeinschaftsgarten Himmelbeet liegt mitten in Berlin-Wedding. “Das gute Leben für alle”, das ist das Motto des Gartens. Alle können hier mitmachen, egal ob sie Erfahrung haben, wie alt sie sind, ob sie im Rollstuhl sitzen oder nicht. 

Cristina kehrte 2020 nach zehn Jahren in der Karibik wieder nach Berlin zurück, wo sie einst Architektur studiert hatte. In Costa Rica führte sie ein Restaurant, das sie selbst gegründet hatte. Als es wegen der Pandemie schließen musste, wurde sie im Himmelbeet-Café eingestellt und fing dort an vegan-vegetarische Mittagsgerichte zu kochen. Durch die Preisstaffelung waren die Gerichte für jeden erschwinglich. Anfang 2022 schloss aber auch dieses Café, weil das Himmelbeet umziehen musste: von der Ruheplatzstraße in die Gartenstraße. 

Cristina hat den Umzug von Anfang an begleitet. Die letzten Jahre des Himmelbeets waren von Unsicherheit geplagt. Als klar wurde, dass das Himmelbeet umziehen muss, stand die Initiative lange ohne einen neuen Ort da. Doch nachdem die Aktionsgruppe alle Auflagen erfüllt hatte, durften sie im April 2022 umziehen. 

Noch ist es am neuen Standort etwas chaotisch. Das neue Café steht schon da, darf aber erst öffnen, wenn die Sanitäranlage fertig ist. Solange engagiert sich Cristina im Garten. Lebensfroh huscht sie durch die Gemüsebeete, erklärt anderen Gärtnerinnen und Gärtnern, wo sie frische Erde holen können oder welche Größe die Gartenhandschuhe haben. Ein junger Mann karrt so lange Erde hin und her bis er außer Atem ist. „Willst du Wasser trinken?“, ruft Cristina vom Zucchinibeet aus zu, so bedeckt von den Blättern, dass sich nur eine schimmernd-graue Strähne und eine gleichfarbige Brille erkennen lässt. 

Cristina geht jeden Tag ins Himmelbeet. Mittwochs sitzt sie mit jedem, der Hunger hat, im Freien, isst zu Mittag und bespricht mögliche Verbesserungen. Das Himmelbeet ist für Cristina mehr als nur ein Garten. Es ist für sie ein Ort, der weder von Konsum noch Wettbewerb geprägt ist, sondern darauf abzielt, dass die unterschiedlichsten  Menschen zusammenkommen. Stolz zeigt Cristina die barrierefreien Beete, die so angelegt sind, dass Menschen im Rollstuhl daran arbeiten können, und die Kids-Beete, die Kinder angelegt haben.  

“Das Himmelbeet hat mich gerettet”, sagt Cristina, denn in der schwierigen Zeit nach ihrer Rückkehr war der Gemeinschaftsgarten ihr Zufluchtsort. Auch anderen Menschen in der Großstadt kann eine Auszeit zwischen den Beeten sicher nicht schaden. 

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