Berlin zwischen Tag und Nacht

Die Laternen gehen an, die Sonne geht unter und das Nachtleben beginnt. Diese Atmosphäre vermittelt der Marktstand von Lidia Beleninova auf dem Berliner Kunstmarkt. Touristen und Touristinnen, Berlinerinnen und Berliner schlendern auf der kleinen Straße zwischen dem Berliner Dom und dem deutschen historischen Museum. Rot-weiß-gestreifte Stände, barocke Hausfassaden, im Hintergrund rauscht die Spree: Der Markt-Flair hat etwas von Paris. An Beleninovas Stand findet jeder einen gemalten Ort, die er oder sie aus Berlin kennt.

„Eingefangene Atmosphären“ nennt sie ihre Werke. Menschen aus aller Welt kauften Bilder vom Brandenburger Tor, dem Fernsehturm oder der Museumsinsel. Und Einheimische würden sich freuen, wenn sie einen bekannten Ort in ihrem Kiez wieder entdecken, sagt Beleninova . Zweiteres male sie lieber, zum Beispiel eine unbekannte Straße.  Aber diese Bilder von den Sehenswürdigkeiten, da ist sie ehrlich, brächten einfach am meisten Geld ein.

Laut dem „TimeOut“-Magazin ist Berlin als Städtereiseziel auf Platz drei weltweit. Kein Wunder, dass 2023 über 12 Millionen Gäste Berlin besucht haben. Zumindest ein paar dieser Touristinnen und Touristen sind auch bei Beleninova vorbeigekommen, um Malereien mit den typischen Sehenswürdigkeiten zu kaufen. Vor allem kleine Malereien lassen sich gut als Souvenirs verkaufen. Der ein oder andere Sammler möchte aber auch ein größeres Bild aus der deutschen Hauptstadt.

Der Tourismus hat Beleninova ermöglicht, dass sie ihre Leidenschaft, Malerei und Poesie, als Lebensgrundlage nutzen kann. Dabei passt sie sich gezielt an das Kaufverhalten der Touristinnen und Touristen an. Bilder beliebter Sehenswürdigkeiten verkaufen sich meist besonders gut. Doch ihre Werke sind mehr als Touri-Andenken: Sie vermitteln die berlinerische Atmosphäre, sagt sie.

Beleninova selbst studierte Kunst, hat in einer Bar gearbeitet und während der Corona-Pandemie angefangen, abends Eindrücke in ihrem Kiez zu malen. Durch den Verkauf ihrer Werke verdiene sie so viel, dass es zum Leben reiche. Eine Zeit lang probierte Beleninova sich auch an Auftragsarbeiten aus. Doch damit ist heute Schluss. Nach einer konkreten Vorgabe zu malen, habe ihr noch weniger Spaß gemacht, als in der Bar zu arbeiten. Sie wolle ihre eigenen Gefühle ausdrücken und die Stimmung in Berlin genau in dem „kurzen magischen Moment zwischen Tag und Nacht“ einfangen, sagt sie. Ihre Werke malt sie bei sich zu Hause in Ruhe, als Vorlage dienen Skizzen und Fotos. Beleninova meint, sie sei keine „Rampensau“. Statt mitten im Marktgeschehen, bleibt sie im Hintergrund, etwas versteckt hinter ihrem Skizzenblock.

Über eine Touristin, die zu Beleninovas Stand kommt, freut sie sich heute besonders: Sie kauft ein kleines Acrylgemälde. Darauf ist eine Ecke aus Lidias Kiez dargestellt – und nicht der Berliner Dom. Nicht jeder Tourist möchte ein Bild von einer Sehenswürdigkeit. Das eher versteckte Berlin, in Beleninovas „magischem Moment zwischen Tag und Nacht“, mit nach Hause zu nehmen, ist manchen wichtiger.

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