Berlin – der Traum?
Für viele Studierende ist Berlin eine Traumstadt. Doch wie sehen das eigentlich junge Menschen, die hier aufgewachsen sind?
Daria wartet vor dem Brandenburger Tor. An diesem Samstag im Juli schwimmen lauter rot-blaue Plakate auf der Menschenmenge. „Rettet unsere Demokratie“, steht auf ihnen. Oder: „Frieden für alle.“ Aus den Boxen dröhnt Taylor-Swift-Pop, Reporter sprechen hastig in Handmikrofone, Menschen mit Irokesen-Haarschnitt durchbrechen das Touristenmeer. Eine friedliche Demonstration? „Nee, eine Querdenker-Demo“, erklärt Daria.
Die Siebzehnjährige wohnt seit ihrer Geburt in Berlin-Mitte, solche Demos sind für sie Alltag. Über den Pariser Platz schlendernd, erzählt sie von ihrer Kindheit und Jugend. Aufs Gymnasium gegangen sei sie in Pankow, etwas außerhalb. Schon als Zehnjährige fuhr sie mit der U2. „Eine sehr ruhige U-Bahn-Linie“, sagt sie lässig. Daria schwärmt von der guten Infrastruktur – den vielen Museen, der Staatsoper, den Kinos. Zur Recherche für ihr Abitur sei sie in die Bibliothek der Humboldt-Universität gegangen. Sie hofft, dort bald Rechtswissenschaften studieren zu können.
Etwas abseits der Demo holt sich Daria einen Latte Macchiato. „Es beschweren sich in Berlin sehr viele“, sagt sie und trinkt einen ersten Schluck. Sie lächelt: „Unser Flughafen ist ja auch berüchtigt.“ Natürlich gebe es Probleme: den Wohnungsmangel, die Bauwürdigkeit vieler Schulgebäude oder die hohe Obdachlosigkeit. „Aber viele Berlin-Probleme sind auch Deutschland-Probleme“, findet sie. Die Vorteile der Hauptstadt aber überwiegen für sie: Berlin sei unglaublich international, das sehe man auch an den Läden.
Aber sehen das alle so? „Wir glorifizieren die Stadt schon sehr“, gibt Mathilda Meyer zu. Aufgewachsen ist sie im Berliner Randbezirk Reinickendorf, im Juli absolvierte die Achtzehnjährige ihr Abitur. Ob sie in Berlin bleiben wolle? „Nein, eher nicht.“ Die NCs seien zu hoch, die Mietpreise sowieso. „Bestimmt drei Viertel meiner Freunde müssen erst einmal bei ihren Eltern wohnen bleiben. Das ist ein totales Problem.“ Und oftmals komme man in die Universitäten gar nicht erst rein, weil so viele Studierende in die Hauptstadt drängen. „Aber der Hype bringt uns auch total viel, gerade uns Jugendlichen. Es gibt so viele hammer Clubs.“
Trotzdem will sie nach dem Abi erstmal weg, am liebsten ins Ausland. Zum Beispiel nach Benin. Nach Berlin zurückzukommen, könnte sich Mathilda aber trotzdem vorstellen. „In Berlin funktioniert eigentlich nichts“, sagt sie und muss ein bisschen lachen. „Aber irgendwie ist das fast schon ein Meme.“
Daria überlegt nicht lange, ob sie anderen Menschen empfehlen kann, in Berlin zu wohnen: “Ja, definitiv!“, sagt sie. „So ist Berlin eben: pulsierend, chaotisch, charmant.“