Aus Liebe zur Literatur
Vor ein paar Jahren hat sich Doris den Traum eines eigenen Buchladens mit Café erfüllt. Dafür hat sie ihren alten Job an den Nagel gehängt. Aber läuft es immer noch so, wie sie es sich erträumt hat?
Ding Dong. Die Glocke über der Eingangstür läutet. Es riecht nach Papier. Doris Graß wirft einen schnellen Blick hinüber zur Tür „Schön dich zu sehen!“, ruft sie. Es ist eine Bekannte aus der Nachbarschaft, die öfters in Doris‘ Buchladen vorbeischaut. Schnell läuft Doris hinter den Tresen im hinteren Teil des Ladens und stellt die Kaffeemaschine an. Ihren Sohn hat die Kundin auch mitgebracht. Er holt sich gerade ein Buch zum Vorlesen aus dem deckenhohen Regal. Ihr Ritual, wenn die beiden hier in Doris‘ Laden zu Besuch sind.
Den kleinen Buchhandel mit Café in der Südstadt von Bonn hat sich Doris vor wenigen Jahren selbst aufgebaut – aus ihrer Liebe zur Literatur. Dafür hat sie sogar ihren alten Job gekündigt.
Jetzt nimmt Doris einen Roman in die Hand und platziert ihn auf einem Regalbrett. „Eigentlich ist das hier gar kein Arbeiten mehr für mich“, sagt sie und lacht. Das habe sie nicht immer über ihren Job sagen können. Noch vor wenigen Jahren war sie als Soziologin in der Projektforschung tätig. „Dieser Beruf hat aber einfach nicht zu meiner Lebensvorstellung gepasst. Ich wollte viel eigenständiger und vor allem selbstbestimmter arbeiten“, erzählt sie und räumt einen weiteren Roman in das oberste Fach der großen Holzregale. Die Eröffnung des Buchladens im Herbst 2019 sei die Verwirklichung eines Traumes gewesen. „Ich habe hier eine kleine Welt geschaffen, auf die ich sehr stolz bin“, sagt Doris.
Ding Dong. Eine junge Frau kommt in den Laden. Doris begrüßt sie mit einem großen Lächeln. „Ich habe deine Bestellung schon direkt parat gelegt“, sagt sie, verschwindet hinter dem Tresen und holt ein kleines Buch hervor. „Verrückt, dass du dich direkt an mich erinnerst“, sagt die Kundin mit aufgerissenen Augen. „Man merkt sich schnell die neuen Gesichter“, erklärt Doris. Viele Kunden kämen aus der Nachbarschaft und seien ihr deshalb vertraut. Da sei es einfach, sich die dazukommenden und neuen Kunden zu merken.
Bis heute bereut Doris es nicht, vor fünf Jahren ihren alten Job gekündigt und den kleinen Buchladen eröffnet zu haben. Am schönsten seien für sie die kleinen Momente. „Wenn man sich im Gespräch mit den Kunden ein bisschen annähern kann und dann das Gefühl hat, für jemanden das absolut richtige Buch gefunden zu haben, dann ist das total schön“, schwärmt Doris. Nachteile durch große Verkaufsketten habe sie nie erlebt. „Wir sind die Buchhandlung ums Eck, wo man dann mal eben vorbei geht“, sagt sie. Manche Kundinnen und Kunden wollten jedoch nicht auf eine Bestellung warten. Das gebe es schon. Für Doris ist das aber kein Problem. Sie sagt: „Wir haben genug Kunden, die gerne am nächsten Tag wiederkommen, um ihr Buch abzuholen. Manche haben es irgendwie auch gelernt, dass man auch mal warten muss.“
Die Bekannte und ihr Sohn stehen immer noch im Laden. Der Sohn hat es sich schon auf dem Holzboden gemütlich gemacht. Doch der Laden ist voll. Das Vorlesen muss für ihn heute ausfallen. „Das kennen wir sonst gar nicht, dass bei Doris keine Geschichte vorgelesen wird, wenn wir hier sind“, erzählt die Bekannte mit einem Schmunzeln. Das sei ungewöhnlich für die sonst sehr „persönliche“ Atmosphäre, aber es gebe heute nun mal viel zu tun. Doris hätte sich eigentlich gerne Zeit genommen. „Es ist einfach toll, wenn Kinder hier überall auf dem Boden sitzen und lesen“, erzählt sie und blickt zur Tür. Ding Dong. Die Kundin und ihr Sohn verlassen den Laden. Aber Doris weiß, dass sie an einem anderen Tag wieder kommen.