Schwarze Löcher aus dem Schwarzwald
Vier junge Gamedesigner erschaffen in Furtwangen im Schwarzwald den Weltraum. Von hier aus, mitten im Nirgendwo, wollen sie auf dem großen Gamesmarkt mitmischen und verfolgen ihre Vision: Das Zocken zurück auf die Couch bringen.
Denis Eksakustos sitzt auf der Couch und schaut konzentriert auf den großen Flachbildschirm vor ihm. Zwei kleine Raumschiffe schwirren umher, die versuchen, einen Ball mittels Gravitation und Energiestößen unter Kontrolle zu bringen. Ein bisschen wie Fußball im Weltall. Gar nicht so einfach. Auf einmal stutzt der 28-Jährige. Die Balken auf der Punkteanzeige, die eben noch schwarz waren, sind auf einmal alle grau. “Das ist ein Bug.” – “Ein ziemlich großer sogar”, erwidert Robert Döhler. Ihm wird als Programmierer die Aufgabe zukommen, den Fehler im Programmcode ausfindig zu machen und zu beheben. “Kann jemand mal ‘nen Screenshot machen”, fragt er in die Runde. Die anderen beiden Teamkollegen Markus Weiß und Adrian Vögtle wenden sich zum Rechner.
Gemeinsam nennen sich die vier “Couch in the Woods”. Ihre Zocker-Couches stehen in Furtwangen im Schwarzwald. Die Sofas sind alt und faltig, die Farben verblasst. Eine runde Holzplatte, die auf zwei Bierkästen steht, dient als Esstisch. Gegenüber summen die Lüfter und pulsieren die Lichter der großen PC-Türme, an die gekurvte, hochauflösende Bildschirme angeschlossen sind. Die Gaming-Tastaturen leuchten rot, wie die geschwungenen Drachensymbole auf den Mäusen. Wenn alle vier arbeiten, bilden die klackernden Tastaturen und die klickenden Mäuse einen Klangteppich. Ab und zu murmelt jemand vor sich hin, weil etwas nicht funktioniert. Im Hintergrund läuft leise Japanese City Pop, entspannende Beats aus den 80ern mit jazziger Note. Mit 1000 Mbit/s surfen sie hier im Internet – andere ländliche Regionen träumen von 50 Mbit/s. Dabei sieht Furtwangen auf den ersten Blick aus wie das Ende der Welt.
Furtwangen ist das, was du draus machst
Das 10.000-Seelen-Dorf liegt in der Kreuzung dreier Schwarzwaldtäler im engen Kessel. Die Berghänge an den Seiten und der tiefstehende Himmel trennen den Ort von der Außenwelt. Die Häuser sind entweder grau, weiß, hellbeige oder hellgrün gestrichen, von nicht wenigen blättert die Farbe ab. Im Schnee und Nebel sehen sie alle gleich aus. Furtwangen ist einer der Orte, an dem vor allem Vögel zwitschern und im Hintergrund Autos leise vorbeirauschen. Alle 15 Minuten schlägt eine Glocke. Nachts, wenn alles verstummt, kann man dem Schnee beim Schmelzen zuhören. Wer hier studiert, muss sich sein Sozial- und Partyleben selbst organisieren. “Furtwangen ist das, was du draus machst”, zitiert Markus Weiß ein stadtbekanntes Motto, “und dann bleibt dir am Feierabend nicht viel anderes übrig als WG-Partys, und auf denen willst du dann halt auch mal was zocken. Nur: Das richtige Gefühl zu erzeugen, wie vor 30 Jahren, das schafft kaum noch ein Spiel.” Das wollen “Couch in the Woods” jetzt ändern. Sie haben eine Vision.
Robert Döhler |
Markus Weiß |
Denis Eksakustos |
Adrian Vögtle |
Couch-Gaming in der Pandemie
Partys oder sonstige Treffen in einem Zimmer sind coronabedingt aktuell kaum möglich. Keine guten Zeiten für den Gaming-Ansatz der Entwickler. Zudem verzögert sich die Veröffentlichung ihres ersten Spiels um 6 Monate von April auf Oktober. Die zugehörige Konsole erscheint erst dann. Doch sie bleiben ihrer Vision treu, auch wenn das einige Ungewissheit mit sich bringt. “Es ist eine einfache finanzielle Rechnung”, sagt Robert Döhler. “Wir werden nur bis Oktober gefördert und uns entgehen die Verkäufe, die wir von April bis Oktober gehabt hätten.” Grund zur Sorge? Die vier bleiben zuversichtlich. Markus Weiß denkt vor allem an die Zeit nach der Pandemie: “Wir rechnen alle damit, dass es sich in den nächsten ein bis fünf Jahren mit Corona vielleicht mal wieder erledigt hat.” Doch das Virus ist nicht die einzige Schwierigkeit für die vier Gründer.
Hohe Nachfrage, große Konkurrenz
Der deutsche Computerspielmarkt ist mit 6,2 Milliarden Euro Umsatz der größte in Europa und der fünftgrößte der Welt. Eine Nachfrage nach Games ist also da, aber ebenso eine starke Konkurrenz. Der Großteil des Umsatzes wird von wenigen Unternehmen generiert, Kleinstunternehmen wie “Couch in the Woods” fallen kaum ins Gewicht. Die Situation könnte einfacher sein für die vier jungen Gründer.
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Einfach mehr freshness
Wieso also mit der Situation umgehen, wie Fuß fassen auf dem Gamesmarkt? “Spiele bauen, Spiele machen. Herstellen, tun!”, sagt Jirka Dell’Oro-Friedl, Professor für Gamedesign an der Hochschule Furtwangen. Bei ihm haben alle vier Gründer von “Couch in the Woods” studiert. Viele größere Studios würden später darauf schauen, was man schon mal gemacht hat. Die Möglichkeiten, Games zu veröffentlichen und in Nischen zu platzieren, seien außerdem vielfältig.
So sind auch die Entwickler aus Furtwangen zuversichtlich, ihren Platz zu finden. Tatsächlich sieht Robert Döhler die Situation der vier als Chance: “Kreative Spiele, kleine Spiele, kein großer Schnickschnack drumherum. Das ist, was den Indie-Markt ausmacht. Vor allem experimentelle Ideen. Und dann sind die Leute auch bereit, mal 10, 20 oder 30 Euro für ein Indie-Game auszugeben, weil sie davon einfach etwas anderes erwarten können. Einfach mehr freshness.” Indie, das steht für “independent”. Unabhängig. Genau das wollen “Couch in the Woods” auch sein, es ist ihr Lebensgefühl.
Indie: Unabhängigkeit ist Freiheit
“Freiheit heißt, sich selbst zu bestimmen, und das ist eins der höchsten persönlichen Ziele, die man erreichen kann”, sagt Robert Döhler. “Vielleicht reicht es für uns einfach, zu überleben und unsere Arbeit zu tun. Das ist ja die Vision, die Unabhängigkeit, die wir erleben, und die ist mehr als Geld.”
Auch in seinem privaten Zimmer lebt er dieses Motto. Seinen Beistelltisch hat er aus Teilen einer Baumstammscheibe und Epoxidharz gebaut, darin eingelassen kleine Computer-Bauteile und eine türkis leuchtende Lichterkette. “Ich mag’s gern rustikal”, kommentiert Robert Döhler seine Zimmereinrichtung. Wie dafür gebaut liegt in einem gabelförmigen Ast seine Ukulele. Am wichtigsten ist: Es ist sein Zimmer, mit seinen Kreationen darin, sein eigenes kleines Stück Freiheit. Er hat es sich selbst geschaffen.